Als im Mai 2010 Red Dead Redemption erschienen ist, um die Geschichte von John Marston zu erzählen, konnte Rockstar nur ahnen welchen Erfolg ein Western-Spiel haben würde. Mit Red Dead Redemption 2 will Rockstar die Zeit vor den Ereignissen von Marstons Abenteuern beleuchten, als er noch Teil der Dutch van der Linde-Gang war. Wir haben unseren Sattel abgestaubt und uns in den Wilden Westen begeben, um Red Dead Redemption 2 unter die Lupe zu nehmen.
Nur noch wenige Jahre trennen uns von einem neuen Jahrhundert, einer neuen Zeit und dem endgültigen Einzug der Zivilisation. Die Menschen sehnen sich nach Sicherheit, einem Zuhause und nach Freiheit. Der Westen wird noch immer in den billigen Groschenromanen als Zufluchtsort der Gesetzlosen, der Banden und der Verbrecher bezeichnet, doch wissen die Autoren nur wenig und zeigen nicht die ganze Wahrheit in ihren Büchern.
Nach unserem letzten Raubzug in Blackwater sind wir ständig auf der Flucht. Keine Nacht vergeht, in der wir nicht im Schlaf hochschrecken, jedem Geräusch eine Gefahr beimessen und unsere Augen auf die Schatten richten.
Dutch hält uns seit Jahren zusammen, unsere Familie unsere Gang. Er half mir als ich noch sehr jung war. Brachte mir Lesen und Schreiben bei und zeigte mir meinen Weg im Leben. Sicher, ich bin weder gebildet noch ein Mann vieler Talente, doch mit einer Waffe in der Hand und einem Pferd an meiner Seite konnte ich mich noch jeder Gefahr stellen. Der Wandel der Zeit und diese gedankenlose Aktion in Blackwater haben uns in die Berge geführt. Tagelanger Schneefall und kein Ende in Sicht – nun ja, zumindest kein Ende für den Schnee.
So hart diese Zeit war, ich konnte nicht wissen, dass es noch viel härter würde – dass eine Reise auf mich warten würde, die mich als Mann verändern würde, als Menschen und als Freund.
Das hat uns gefallen:
Acht Jahre haben wir auf einen zweiten Teil von Red Dead Redemption gewartet und schon vorab können wir getrost verraten, dass sich das Warten gelohnt hat. Rockstar hat einen Giganten aus dem Boden gestampft. Das Erbe war nicht leicht, doch Rockstar nahm sich die nötige Zeit und konnte überzeugen.
Red Dead Redemption 2 spielt zu einer Zeit des Wandels und ist dabei selbst ein Verwandlungskünstler. Ein Open World-Titel der eine packende und ehrliche Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die nicht so endet wie wir es in jedem Film erwarten und nicht bestimmte Richtungen einschlägt um kitschige Klischees zu erfüllen.
Das ist auch schon eine der größten Stärken des Spiels: Red Dead Redemption 2 erzählt eine gute Geschichte. Trotz der wirklich gewaltigen Größe des Titels ist die Interaktion mit verschiedenen Charakteren und der Welt ein Liebesbrief an jedem der Rockstar, Western oder einfach die Art des Spiels mag. Es ist mehr als nur die Geschichte von Arthur Morgan, dem Helden von Red Dead Redemption 2, sondern zeigt viele unterschiedliche Fassetten der einzelnen Charaktere, denen wir im Spielverlauf begegnen.
Und ja, wir dürfen uns auf ein Wiedersehen mit alten – oder besser gesagt jüngeren – Bekannten freuen. John Marston ist ebenfalls Teil der Gang um Dutch und hat eine besondere Beziehung zu Arthur. Auch Uncle, den wir in Red Dead Redemption 1 schon kennenlernen konnten ist mit von der Partie und noch einige andere.
Obwohl wir Arthur spielen ist die Geschichte viel komplexer und jeder Charakter wird ausreichend beleuchtet, um entsprechende Gefühle im Spieler zu wecken. Schön ist auch zu sehen, dass Rockstar mit dem Tempo der Geschichte „spielt“. Zu Beginn, in den verschneiten Bergen, ist es deutlich langsamer, zielt auf den Aufbau der Charaktere, deren Stärken und Schwächen ab und möchte uns natürlich das Spiel selbst näherbringen. Mit der Zeit können wir dann den „Wilden Westen“ erkunden und lernen so einen der treusten Gefährten kennen: unser Pferd.
Rockstar hat von Anfang an gesagt, dass sie dafür sorgen wollen, dass Spieler auf ihr Pferd achten werden und es ist ihnen gelungen. Pferde sind sterblich in Red Dead Redemption 2 und auch nicht sonderlich günstig. Es ist also mehr als ratsam gut acht zu geben, wie ihr mit eurem Pferd umgeht. Verschiedene Größen, Farben und Rassen stehen euch zur Wahl, sofern ihr das nötige Kleingeld habt. Allerdings müsst ihr zu einem neuen Pferd erst eine Bindung aufbauen, um neue Tricks zu erlernen oder es aus großer Entfernung zu euch zu rufen. Das ist mit Zeit und Aufwand verbunden, den ihr allerdings schnell schätzen werdet, wenn ihr nicht einen halben Kilometer zum Pferd laufen müsst.
Rockstar hat in Red Dead Redemption 2 auf ein Schnellreisesystem im üblichen Sinne verzichtet. Sicher kann Arthur vom Camp aus, sofern es eine gewissen Stufe erreicht hat, schon besuchte Orte ansteuern, doch werdet ihr viel Zeit auf dem Rücken eures Pferdes verbringen, sehr viel Zeit. Es dauert bis ihr von einer Stadt in die nächste kommt und oft gibt es Missionen, die euch ins sprichwörtliche „Hinterland“ führen. Red Dead Redemption 2 ist groß und fast schon erschreckend umfangreich.
Nebenmissionen gibt es reichlich, genau wie „plötzliche“ Ereignisse, wie wir sie schon aus dem ersten Teil kennen. Leute werden überfallen oder brauchen Hilfe – was werdet ihr machen? Wer neben den Missionen auch etwas Geld verdienen möchte, kann sich beispielsweise als Jäger oder Kopfgeldjäger versuchen. Die Liebe zum Detail hat Rockstar hier einige Grenzen überschreiten lassen, die wir so bisher nur in wenigen Spielen sehen konnten. Habt ihr in Red Dead Redemption 1 einen Hirsch erlegt, dann konnte man John beim Zerlegen zuhören. In Red Dead Redemption 2 müsst ihr Arthur beim Häuten zuschauen, was deutlich extremer ist. Rockstar wollte hier weder verstörend sein noch einen geheimen Hass auf die Tierwelt ausleben, sondern zeigen wie das Leben vor weit über einhundert Jahren war. Wer Pelze verkaufen wollte, musste seine Beute „überreden“ können sich von selbigen zu trennen.
Langeweile kommt fast nie auf. Dafür sorgt unter anderem ein sehr gutes Gameplay-System. Selbst wenn euch das angebotene Standard-Layout nicht gefallen sollte, könnt ihr in den Menüs alle erdenklichen Einstellungen vornehmen, um es an eure Gewohnheiten und Vorlieben anzupassen. Perfekt ist das Gameplay zwar nicht (dazu später mehr) aber oft liegt es einfach an den eigenen Fehlern, dass Arthur das Zeitliche segnet oder kurz davor ist.
Das Mission-Design hingegen hat Rockstar fast perfektioniert. Immer dann, als wir glaubten jetzt wieder einen langen Ritt vor uns zu haben oder einen Weg unendlich häufig absolvieren zu müssen, hat Rockstar für Abwechslung gesorgt oder sogar die „Notbremse“ gezogen. Bevor ein Gefühl der Lustlosigkeit aufkam, schafft es Rockstar etwas Änderungen ins Gameplay zu bringen, uns einen Weg abzunehmen oder einen langen Ritt zu ersparen, nur weil uns die Mission zu einem abgelegenen Ort führte. Zwar sind es nur Kleinigkeiten, im Vergleich zu anderen Spielen, doch fehlen selbige, ist es einfach nur ein leidiges Thema eine Mission zu beenden.
All das ist ohne die passende Präsentation nur wenig wert. Aber auch hier hat sich die Entwicklerschmiede nicht lumpen lassen. Grafisch ist Red Dead Redemption 2 eine Augenweide. Sicher, es ist kein „echtes“ HDR im Spiel zu finden, aber allein die Animationen der Gesichter, Körpersprache oder der Tierwelt sorgt für eine Entschädigung. Wer Tiere, wie Hirsche, beim Grasen oder trinken zuschaut wird schnell den Detailgrad erkennen den das Studio hierfür aufbrachte. Nicht nur ein Teil des Gesichts wird ins feuchte Nass gehalten, sondern die Tiere nutze ihre Zunge um um sich zu erfrischen. Hinzu kommt die tolle Landschaft des virtuellen Amerikas. Sattes Grün, Wälder, Sümpfe, Savanne oder verschneite Berge warten auf eure Entdeckung.
Die passende Unterstützung bekommt die Grafik natürlich vom wirklich erstklassigen Sound. Wie schon beim ersten Teil von Red Dead Redemption, ist auch Teil zwei wieder ohne deutsche Synchronisation und das ist auch gut so. Die verschiedenen Dialekte würden sonst einfach nicht glaubwürdig herüberkommen und es gibt sogar kleine Stellen, in denen wir Deutsch als Sprache hören können.
Jeder Sprecher, ob Arthur, Dutch oder Marston liefert einen unglaublichen Job ab. Letzter hat natürlich die Stimme aus Red Dead Redemption erhalten, was für eine sofortige Wiederkennung sorgt. Aber auch die Musik ist ein Genuss für die Ohren. Westernmusik wechselt sich mit atmosphärischen Klängen ab und hebt somit das Gesamtbild von Red Dead Redemption 2 weiter an.
Das hat uns nicht gefallen:
Es ist schwer über Red Dead Redemption 2 zu „meckern“. Es gibt nur einige wenige Dinge, die uns sauer aufgestoßen sind. Beispielsweise ist das Deckungssystem nicht sehr ausgereift und auch die gegnerischen Schützen scheinen oftmals zu schielen oder direkt Scharfschützen zu sein.
Beim Deckungssystem kommt zudem hinzu, dass Arthur gerne auf eine Deckung läuft, wenn ihr nicht aufpasst. Nun ist es bekanntlich so, dass eine Deckung nur dann guten Schutz bietet, wenn wir uns dahinter befinden – nennen wir es also suboptimale Positionierung während eines Schusswechsels.
Ab und an dürfen wir uns über lustige Fehler freuen oder über Schnitzer im Gameplay ärgern. Beispielsweise wird es häufig vorkommen, dass euer Gaul nicht genau den Weg nimmt, den ihr selbst gerne genommen hättet. Das sorgt dann gerne dafür, dass ihr mit Volldampf frontale Bekanntschaft mit einem Baum macht. Spoiler Alert! Der Baum gewinnt.
Schade ist, dass das Thema des Camp-Umzugs, den Rockstar in den Trailern zum Spiel oft ansprach, nur wirklich einmal aktiv von uns angegangen werden konnte. Gerne hätten wir gesehen, dass es mehr Einsatz von unserer Seite erfordert hätte unser Camp zu verlegen.
Fazit:
Kurz und knapp: Red Dead Redemption 2 ist ein Meisterwerk. Nicht frei von Fehlern, aber ohne Frage eines der besten Spiele die Rockstar bisher auf den Markt gebracht hat. Eine packende Geschichte um Verrat, Liebe und Erkenntnis, gepaart mit einer weiten und offenen Welt, die dazu einlädt sie zu bereisen zu entdecken und sich darin zu verlieren, sind die Grundpfeiler von Red Dead Redemption 2.
Hinzu kommt eine wirklich wunderschöne Grafik, die durch die musikalische Untermalung Maßstäbe in puncto Atmosphäre setzt. Als wäre es nicht genug, erfahren wir die Hintergründe die zu Red Dead Redemption 1 geführt haben – beispielsweise wie John Marston seine Narben im Gesicht erhalten hat.
Es ist ein Liebesbrief an alle Fans und Gamer zugleich. Ein Brief der Charakter hat, weil er nicht perfekt ist aber das Beste in sich zum Vorschein bringen will. Red Dead Redemption 2 ist ohne Frage das bisher beste Spiel 2018 (in seinem Genre) und sollte in keiner Sammlung fehlen.
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