Nach zwei Jahren Abwesenheit kehrt Need For Speed zurück auf die virtuellen Straßen. EA und Ghost Games versuchen sich mit mutigen Ideen aus vergangenen Tagen. Eine nie enden wollende Nacht und reale Schauspieler sollen die Kehrtwende bringen. Ob diese Ideen auch funktionieren erklären wir euch im Test.
Willkommen in Ventura Bay! Das Zentrum des Spiels ist die fiktive, frei befahrbare Stadt Ventura Bay, die mit ihren Highways und Seitenstraßen, Vorstadtgegenden, Industriegebieten und einer beeindruckenden Skyline an zahlreiche Metropolen der USA erinnert.
Nach einer ersten Verfolgungsjagd mit der Polizei, trefft ihr auf Spike. Begeistert von uns und unseren Fahrkünsten, bringt er uns kurzerhand auf eine Party mit lauter PS-Süchtigen, darunter tummelt sich sogar der Motorsport- und YouTube-Star Ken Block und schon gehören wir zur rasenden Zunft. Damit Euer Ansehen bei den anderen Fahrern steigt, nehmt ihr natürlich jeden Auftrag an, die des Öfteren auf dem Smartphone abrufbar sind. Immer wieder klingeln neue Bekanntschaften bei euch mit Rennvorschlägen durch, teilweise vibriert es im Sekundentakt (Von wegen „don’t drive and text“ oder so). Ein Driftduell hier, ein Kopf-an-Kopf-Rennen da oder mal ein Mix aus beiden Spielvarianten, dass ganze verteilt sich auf Stadtzentrum, Hafen, Gebirge und einige Inseln.
Eine gut funktionierende Minikarte, dass praktische Navigationssystem, sowie nahezu nichtvorhandene Ladepausen halten den Spielfluss immer am laufen. Nicht zu vergessen die angenehme Schnellreisefunktion, die einen auf Wunsch binnen eines Wimpernschlags zum Autohändler, zur Werkstatt oder zu einer beliebigen Missionen transportiert.
Das hat uns gefallen:
Real gedrehte Videoszenen werden euch durch die Handlung führen in der ihr euch als Nachwuchsfahrer in der Szene beweisen müsst. Plaudert in Tanzclubs mit schönen Menschen und gewinnt Rennen in glitzernden Autos, ja das kennt man irgendwie schon alles, aber die Rollen sind stark besetzt und die Dialoge unterhaltsam inszeniert. Außerdem geben technische Umsetzung, Kameraführung und Verknüpfung mit dem Gameplay einen gelungenen Übergang. Kompliment insbesondere an die Übersetzungsabteilung, Sprache und Bildtexte wurden gut ins Deutsche übersetzen.
Mit Need for Speed – Underground erlebte das virtuelle Tuning Ende 2003 seine Sternstunde. Zwölf Jahre später soll der neue Need for Speed Ableger ein ähnlicher Himmelsstürmer werden. Ob PS-Upgrades dank neuer Turbolader, ein mit Stickern voll geklebter Traum in pink-metallic oder breitere Seitenschweller, auf dem ersten Blick lassen die Modifizierungs-Möglichkeiten keine Racer-Wünsche offen. Mit dem gewonnenen Ansehen (Rep-Punkte) werden Fahrerlevel freigeschaltet, die wiederum parallel zum Schrauber-Pfad neue Tuning-Teile und das nötige Kleingeld für deren Kauf freischalten. In den nur fünf vorhandenen Garagenplätzen können fünf von insgesamt fünfzig Fahrzeugen nach eigenem Geschmack aufgebaut werden. Fahrzeug-Abstimmung und der Fahrzeugwechsel lassen sich zudem nicht vor einem Rennen, sondern nur in der Garage erledigen, was leider zusätzliche Ladezeiten erzwingt. Dass dem optischen Tuning ein mächtiger Editor zur Seite steht, erfreut hingegen bei jedem Fahrzeug. Allerdings darf nicht an jedem Auto so unbeschwert rumgebastelt werden. Während bei den fernöstlichen Marken wie Subaru oder Toyota aus dem Vollen geschöpft wird, sind bei den Ferraris nur leichte Farbänderungen bereits das höchste der Gefühle.
Alles andere als eine Enttäuschung ist die Grafik! Sowohl Fahrzeuge als auch das stets regnerische, nächtliche Ventura Bay sind visuell sehr beeindruckend. Mit gelungenen Lichteffekten und den detailreichen Rennmaschinen kratzt Need for Speed spielend leicht an das Grafik-Podium und die donnernden Motorensounds komplettieren die vorbildliche Präsentation.
Das hat uns nicht gefallen:
Einige Abzüge gibt es aber dann doch noch im Grafikbereich, bei hohem Fahrtempo ploppen gelegentlich Autos und Landschaftsdetails auf. Dazu kommen bei großem Gegner- und Polizeiaufkommen hin und wieder noch Framerate-Einbrüche dazu, die euch dann das Fahren erschweren können. Apropos erschweren, EA’s neuestes Rennspiel setzt auf die Vorzüge des Internets. Alles läuft in Echtzeit ab und eine Pausen-Funktion gibt es nicht! Ebenso wenig wie Online-Lobbies für Freunde Stattdessen tummeln sich Unbekannte Konsolenraser in Stadt rum die euch herausfordern können.
Das kann auch zu einem lästigen Problem werden, denn wenn es der Zufall so will, tauchen diese mitunter plötzlich vor eurer Nase auf und machen hart erkämpfte Bestzeiten durch einen Frontalcrash kurzerhand zunichte, selbst wenn ihr nicht zusammen an einem Rennen teilnehmt.
Ein weiteres Ärgernis ist die zu unauffällige Markierung von Wegstrecken und Checkpunkten innerhalb der offenen Welt. Die auf den Asphalt gemalten Pfeile verschwinden allzu häufig hinter Kuppen oder zwischen Lichtreflexionen Dann ist für einen Augenblick die Route unklar, und man nimmt entweder Tempo raus oder fährt auf gut Glück. Das stört in den ersten Spielstunden weniger. Aber später, wenn man seinen geliebten Flitzer mit Nitrobooster, Turbokit, Flügelwerk und Motorblocktuning auf über 350 PS getrieben hat und das Tempo ernsthaft anzieht, würde man sich gerne voll und ganz auf die Streckenführung verlassen können. Klar kennt ihr irgendwann die vielen Strecken, aber Unsicherheit “wo lang” bleibt trotzdem.
Dem sogenannten Gummiband-Effekt könnte man sogar ein bisschen dankbar sein, denn er drückt den Schwierigkeitsgrad deutlich. Bei Verfolgungsrennen fällt es besonders auf, dass der gejagte Computergegner oft absichtlich Gas rausnimmt um auf euch zu warten. Andererseits rast er bei allzu großem eigenen Rückstand per Mega-Turboschub in den Windschatten, was ebenfalls unnatürlich wirkt. Diese künstlichen Maßnahmen halten zwar die Spannung hoch, entwerten bei derart offensichtlicher Implementierung aber euer fahrerisches Können. Weiter getrübt wird das Fahrverhalten durch die Kollisionsabfrage, die in schönster Regelmäßigkeit zumindest subjektiv nicht nachvollziehbare Resultate bei Berührungen mit feststehenden Objekten produziert. Eine leichte seitliche Berührung kann schon einmal in einem Totalschaden enden, während ein harter Einschlag mitunter lediglich zum Stillstand des Fahrzeugs oder aber dem Abprall desselben führt. Eine ähnliche Vollbremsung ließ sich vereinzelt bei der Fahrt über eine Schiene feststellen. Ein Spiel wie Need for Speed, das sich mit authentischen Fahrzeugen, ernstzunehmendem Tuning und simulationsähnlicher Steuerung doch recht realitätsnah gibt, sollte auch in punkto KI und Zweikampfverhalten näher an der Wirklichkeit operieren, als das hier der Fall ist.
Immer Online bringt keine Vorteile. Obwohl next-gen-mäßig gleich sieben weitere Fahrer in der gleichen Spielwelt unterwegs sind, gibt es kaum natürliche Möglichkeiten zu angebahnten Kontakten. In der Regel verfolgt jeder Spieler seine eigenen Ziele. Lebendig wirkt die Welt nur durch KI-Raser. In anderen Worten, Need for Speed verliert offline keine wesentlichen Features und mitnichten an Qualität. Um Bilder zu teilen, tägliche Herausforderungen zu erhalten und Mehrspieler-Rennen zu fahren, braucht man aber diese permanente Verbindung zu den EA Servern.
Der letzte Kritikpunkt geht an „Schauspieler“ Spike – viel zu hibbelig, sich dauernd ans Cap-greifend und ungefähr so „echt“ wie 15 Kilo Silikon, nervt er mit seiner möchtegern-Gangster Art eigentlich von der ersten Minute an.
Fazit:
Die Entwickler von Ghost Games übernehmen vieles aus der “Underground-Serie” und versucht es mit gutem Spielfluss, ansprechender Atmosphäre, packenden Rennen und hochmoderner Optik zu kombinieren. Der Gummiband-Effekt und andere im Test angesprochenen Mängel schmälern den Spielspaß dann doch entscheidend.
Need for Speed fühlt sich oftmals zäh an. Unter der zu geringen Bildwiederholungsrate sowie deren spontanem Abfallen, welches auf Probleme mit dem Streaming der Spielwelt hindeutet, leidet der wichtigste Aspekt eines Rennspiels! Beinharte Fans der Serie werden trotzdem Gefallen an dem Spiel finden. Prinzipiell spricht jedoch nichts dagegen, zunächst einmal abzuwarten wie Ghost Games den Titel ausbauen möchte, oder aber von der kostenlosen Testphase via EA Access Gebrauch zu machen. Angekündigt wurde bereits, künftige Inhalte kostenlos zu veröffentlichen.