Der Herbst. Alles leuchtet so herrlich bunt, die Blätter fallen von den Bäumen und ab und an kühlt das Nass von oben den doch so warmen Boden ab. Eine fantastische Jahreszeit. Doch Vorsicht, Rutschgefahr! Eine Zeit, in der man seine Bereifung am Wagen wechseln sollte. Schließlich steht ja der Winter vor der Tür und man will gegen Eis und Schnee gewappnet sein. Doch dann irgendwann ist man auch wieder froh, wenn das Alles vorbei ist und man endlich wieder dem Sommer frönt, der zuvor noch vom Frühling wach geküsst wird. Ja, diese Jahreszeiten haben es in sich. Sie halten uns und unsere Vehikel auf Trab.
Jahreszeiten? Vehikel? Warum quatscht der die ganze Zeit über solche Dinge in einem Xbox-Magazin? Nun, der neuste Ableger der Forza-Horizon-Reihe beschäftigt sich hauptsächlich mit solchen Dingen. Dieses Mal verschlägt es euch nämlich nach Großbritannien, in dem Playground Games ein Vierjahreszeitensystem in Forza Horizon 4 implementiert haben. Wie dieses funktioniert, wie sich dieses spielerisch bemerkbar macht und wie die Entwickler zu sehr auf ihr altbewährtes Spielprinzip vertraut haben, verraten wir euch in den folgenden Zeilen zu unserem Test zum Xbox-exklusiven Racer Forza Horizon 4.
Das hat uns gefallen
Auf, auf nach Großbritannien!
Am grundsätzlichen System hat sich auch im neusten Teil der Forza-Horizon-Serie nicht viel verändert. Wie in den Vorgängern tretet ihr als Teilnehmer des sogenannten Horizon Festivals an, beweist euch in diversen Rennserien und macht euch mit der Zeit einen immer größeren Namen. Von einer echten Story zu sprechen, wäre hier wohl zu viel verlangt. Aber immerhin verleiht es dem ganzen Geschehen einen passenden Rahmen. Auch bei der Inszenierung dürft ihr euch auf Gewohntes gefasst machen. Das Gehabe sämtlicher Charaktere hat etwas Hipster-mässiges und kratzt hin und wieder auch an der Proll-Grenze.
Um in der Szene groß rauszukommen, gilt es möglichst viele Erfahrungspunkte zu sammeln – so, wie es in einem anständigen Forza nun mal üblich ist. Die werden hier, passend zur heutigen YouTube-Generation, Influencer genannt und wandern durch gelungene Fahrmanöver sowie insbesondere durch den Abschluss von Rennveranstaltungen auf euer Spielerkonto. Schon früh im Spiel stehen diverse Renntypen zur Auswahl. Neben Straßen- und Offroadrennen, in Forza Horizon 4 als sogenannte Dirt-Rennen bezeichnet, gibt es auch wieder echte Querfeldeinrennen. Hier jagt ihr ohne Verluste durch die Prärie und dürft dabei lediglich keine Checkpoints verpassen.
Auch in Good Old Britain gibt´s viel zu tun
Auch wenn ihr euch gerade nicht in einem Rennen befindet, wird euch in Forza Horizon 4 bestimmt nicht so schnell langweilig. Auf dem Weg zur nächsten Veranstaltung gibt es nämlich im neusten Teil so einiges zu entdecken. Gefühlt alle paar hundert Meter kommt ihr nämlich zum Beispiel aus den Vorgängern bekannten Schnellreise- und Einflussschildern vorbei. Satte 200 Stück gibt es von diesen, wobei die meisten direkt am Wegesrand platziert sind. Einige Schilder erfordern jedoch auch manchmal einen Stunt, weil sie auch mal ein wenig besser versteckt sind. Zusätzlich gibt es auch Aussichtspunkte, die ihr gemütlich anfahren könnt und dort eine kurze Cutscene auslösen müsst.
Doch damit noch lange nicht genug an Nebenbeschäftigungen. Schon nach nur wenigen Spielstunden ist das Angebot an Aufgaben so groß, dass ihr selektieren müsst. Oder ihr macht einfach das, wonach euch gerade der Sinn steht. So könnt ihr beispielsweise auch einfach eines der Gefahrenschilder aussuchen und dort versuchen, in einem Sprung eine gewisse Weite zu erreichen. Oder aber ihr setzt euch ein Ziel, die Höchstgeschwindigkeit eines Freundes an einer Blitzanlage zu knacken. Komplett neu sind die Stuntmissionen, die die vorherige Löffelliste ablösen. Hier heuert ihr als Stuntfahrer für eine Filmcrew an. Mal sollt ihr unter Zeitdruck einen schicken Oldtimer am Strand spazieren fahren, mal einen Mega-Sprung absolvieren. Oder aber ihr müsst möglichst spektakulär durch ein kleines Dorf heizen.
Mit zum Fahrspaß trägt zum einen einmal mehr das exzellente Fahrmodell bei, das alles in allem auch für Einsteiger geeignet ist, die Eigenheiten der zahlreichen Autos dennoch sehr gut abbildet. Teure Sportwagen sind zwar enorm schnell, liegen in der Regel aber auch sehr gut auf der Straße. Rally-Karossen hingegen verhalten sich da deutlich ungestümer, wenn man zu unbedacht aufs Gas tritt. Das sollte natürlich niemanden verwundern, dennoch ist es eine Erwähnung wert, die nur die Charakteristika der Fahrzeuge eingefangen wurde.
Geübte Rennspieler sollten gleich zu Beginn einen Blick in die Schwierigkeitseinstellungen werfen und dort einzelne Fahrhilfen abschalten. Ob ABS, Traktionskontrolle, Ideallinie oder die Stärke der KI-Fahrer – auch bei der Anpassung an die eigenen Fähigkeiten zeigt sich Forza Horizon 4 von seiner besten Seite. Zumal ihr serientypisch durch höhere Boni dazu genötigt werdet, euch zumindest probeweise an höhere Schwierigkeitsgrade oder abgeschaltete Fahrhilfen heranzuwagen. Allerdings wird Forza Horizon 4 auch bei deaktivierten Hilfen nie zu einer Rennsimulation. Der Arcade-Charakter bleibt stets erhalten.
Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter – in Horizon 4 bist du ein Sprinter
Die größte Neuerung von Forza Horizon 4 ist das Jahreszeitensystem. Startet ihr in der Kampagne zunächst im Sommer, wechselt ihr nach kurzer Zeit in den Herbst, danach in den Winter und abschließend in den Frühling. Habt ihr auch dort einen großen Einfluss erreicht, dürft ihr euch im Horizon-Kader willkommen heißen und befindet euch in einer vom Spiel vorgegebenen Jahreszeitenrotation, die im Wochenrhytmus wechselt.
Während der Testphase war es beispielsweise der Herbst, pünktlich zum Release gab es dann aber sommerliche Temperaturen in der Spielwelt. Die Jahreszeiten machen sich insbesondere optisch bemerkbar: Im Herbst liegt Laub auf den Straßen und es regnet häufig. Im Winter sind die Straßen leicht vereist oder mit Schnee bedeckt. Im Frühling kommt dann bei gelegentlichen Nieselregen mehr und mehr die Sonne raus, während euch im Sommer häufiger ein blauer Himmel erwartet. Ja, auch in England scheint mal die Sonne.
So sehr die vier Jahreszeiten Abwechslung fürs Auge bieten, so sehr hatten wir und auch deutlich mehr Unterschiede beim Fahren gefreut. Hier hat uns Forza Horizon 4 enttäuscht. Klar kommen wir im Winter auf Eis schneller ins Rutschen, doch die Unterschiede sind alle sonderlich nicht sehr gravierend. Im Herbst beispielsweise kann ich weiterhin mit weit über hundert Sachen durch die Kurven brettern, auch wenn Laub auf der Straße liegt, das im wahren Leben sofort für einen Abflug sorgen würde. Lediglich bei echten Pfützen sind Unterschiede bemerkbar. In einigen Senken steht das Wasser regelrecht. Und natürlich dürft ihr im Winter auch eine ganz besondere Abkürzung direkt über einen zugefrorenen See nehmen.
Ab sofort dürft ihr übrigens auch Häuser kaufen. Ja, richtig gelesen. Diese bringen kleinere Sofortboni mit sich und dienen fortan als Startpunkt einer Spielsession. Wie auf dem Festivalgelände dürft ihr euch im Eigenheim auch gleich an über 400 Fahrzeugen im Fuhrpark bedienen. Darüber hinaus könnt ihr im Haus euren Charakter anpassen, ihm neuen Klamotten besorgen und die Emotes setzen, die etwa bei einem Sieg abgefeiert werden.
Mit den Häusern und der Individualisierung eurer Spielfigur macht Playground Games einen weiteren Schritt Richtung Social-Features, die in Forza Horizon 4 mehr als jemals zuvor eine Rolle spielen. Das äußert sich auch darin, dass ihr im freien Spielmodus – sofern ihr es nicht abschaltet – immer wieder mit anderen Spielern auf einem Server unterwegs seid.
Störend empfanden wir das aber keinesfalls. Vielmehr wirkt die Spielwelt dadurch wieder einen Tick lebendiger. Vor Rowdys müsst ihr übrigens keine Angst haben. Menschliche Mitspieler werden in direkter Nähe wie Geister behandelt.
Natürlich sind auch wieder zahlreiche Multiplayer-Modi an Bord. Abgesehen davon, dass ihr das Spiel mit bis zu sechs Spielern kooperativ bestreiten könnt, steht unter anderem wieder das Forzaton Event auf dem Plan. Darin können sich alle interessierten Spieler zusammentun, um gemeinsame Herausforderungen wie Drift-Challenges anzugehen. Auch klassische Modi wie PvP-Rennen oder Spiele der Marke „Infiziert“ oder „Flaggenjagd“ müsst ihr ebenfalls nicht drauf verzichten.
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Technisch befindet sich Forza Horizon 4 erneut auf einem sehr hohen Level. Insbesondere auf der Xbox One X lässt die Grafikengine ihre Muskeln spielen. Der Detailgrad ist enorm hoch, die Spiegelungen auf den Fahrzeugen sowie die Landschaften an sich sind absolute Oberklasse. Wer eine hohe Bildrate von 60 Frames bevorzugt, kann diese in den Optionen einstellen, muss dann aber mit einer schwächeren Grafikqualität leben, die an Bäumen oder Zäunen durch stärkeres Flimmern auffällt.
Trotz der herrlichen 4K-Auflösung der Xbox One X, kommt es gelegentlich zu leichten Kantenflimmern sowie zu Pop-ups von Umgebungsobjekten und KI-Autos auf mittlerer bis große Distanz. Durch die Boxen dröhnen zudem gelungene Motorensounds und die Klänge bekannter Radiosender. Der Soundtrack in Forza Horizon 4 ist erneut variantenreich und lässt sich angenehm hören und passt zur Raserstimmung.
Das hat uns nicht gefallen
Altbewährtes hält sich gut?
Neben den Jahreszeiten und dem neuen Schauplatz in England, sind die Neuerungen in Forza Horizon 4 vor allem im Detail zu finden. Und damit wären wir auch bei unserem größten Kritikpunkt. Alles in allem sind die Entwickler bei ihrem vierten Ableger der Reihe viel zu mutlos vorgegangen und haben sich stattdessen auf Bewährtes verlassen. Als Beispiel möchten wir den allgemeinen Rennablauf anführen. Ihr startet wie gewohnt auf Platz acht von zwölf und wollt innerhalb von meist nur zwei bis drei Minuten nach vorne kommen. Jetzt habt ihr folgende Möglichkeiten: Entweder ihr stellt die KI-Stärke so ein, dass ihr dabei kein Problem habt oder aber ihr passt sie an euren Können an, müsst euch aber dann regelrecht nach vorne rempeln, so ihr denn gewinnen wollt.
Man kann jetzt damit argumentieren, dass man hier gar nicht gewinnen muss, tatsächlich könnt ihr auch irgendwo im Mittelfeld ins Ziel kommen und bekommt noch genügend Einflusspunkte und Credits gutgeschrieben. Aber mal ehrlich: wer will denn in einem Rennspiel nicht auf dem ersten Platz landen? Nur möchte ich dafür auch herausgefordert werden und ein echtes Rennen fahren. Anstatt aber dieses Problem anzugehen und wenigstens bei den Rundkursen längere Rennen anzubieten, bleibt eben alles wie gehabt.
Und dann merkt man leider auch, dass Playground Games die Ideen ausgehen. Waren die Schaurennen im Vorgänger noch echte Highlights, hatten wir hier nun mehrmals den Eindruck, alles schon einmal gesehen zu haben. Erneut dürft ihr euch in einem Duell mit einem Zug und später mit einem Düsenjet liefern. Dass ihr das Schaurennen gegen mehrere Motorräder schon größtenteils im Intro des Spiels absolviert und nun nochmals spielt, spricht ebenfalls Bände. Lediglich der Ausflug in die Halo-Welt war in dieser Hinsicht mal wirklich gelungen.
Aber nicht, dass wir uns falsch verstehen. Forza Horizon 4 ist immer noch ein extrem gutes Arcade-Rennspiel, das Fans der Vorgänger, die mehr vom selben wollen, sehr viele Stunden unterhalten werden. Zudem gibt es wie angesprochen noch einige Detailveränderungen, wie eine weniger aggressive KI, die nun seltener zu Rammattacken ansetzt.
Es ist nicht alles Skill, was glänzt
Das neuen Fähigkeitensystem übt auf uns nun aber fast gar keinen Reiz mehr aus. Die Punkte für die Skills verdient ihr zwar weiterhin global, ab sofort verfügt aber jedes einzelne Fahrzeug über einen eigenen Skilltree. Da wir aber selten über mehrere Spielstunden mit demselben Wagen herumfahren, überlegen wir es uns nun drei Mal, ob wir in diesen oder jenen Wagen gesammelte Punkte investieren. Zumal ich als ersten Skill auch jeweils ein sofort Plus von Einflusspunkten kaufen muss und auch die nächsten Boni nur selten richtig verlockend klingen. Zum Glück aber fällt das gesamte Levelsystem von Forza Horizon 4 auch ohne den Einsatz von Skillpunkten sehr motivierend aus. Dem einen kann es gefallen, dem anderen störts.
Fazit:
Wir mögen in einigen Punkten recht kritisch am neuen Forza Horizon herangegangen sein, aber schließlich geht die Rennspielserie auch in ihre vierte Runde. Dafür müssen wir sagen, dass uns die Änderungen und der Mut zum Neuen zu gering ausfallen. Der gesamte Spielablauf gleicht bis auf wenige Änderungen dem des letzten und des vorletzten Teils. Die Rennen sind noch immer reine Rempelintermezzo, in denen wir in kürzester Zeit Plätze gut machen müssen, wenn wir denn gewinnen wollen.
Spätestens bei den Schaurennen fällt auch die Ideenlosigkeit der Entwickler auf. Bis auf eine einzige Ausnahme, hatten wir bei den fünf Schaurennen, die früher einmal die Highlights waren, das Gefühl, das schon mal genau so gespielt zu haben.
Auch aus dem Jahreszeitenwechsel hätte man mehr herausholen können. Wenn wir selbst bei vielen deaktivierten Fahrhilfen kaum einen fahrerischen Unterschied zwischen Sommer und Herbst bemerke, bleibt es am Ende eben nur bei einem optischen Schmankerl – wenn auch bei einem sehr gelungenen.
Unterm Strich ist Forza Horizon 4 aber ein sehr gelungener und aktuell der beste Arcade-Racer. Das Fahrmodell ist einsame Spitze, der Fuhrpark mit über 400 Autos enorm riesig, die Spielwelt abwechslungsreich und einfach toll umgesetzt. Es ist und bleibt halt ein Abenteuerspielplatz für entdeckungsfreudige Rennspielfreunde.
Da die Weiterentwicklung im Vergleich zu Forza Horizon 3 aber zu gering ausfällt, schrammt es nur knapp bei einer sehr hohen Wertung vorbei.