Ubisoft macht fröhlich weiter mit der Far-Cry-Reihe und setzt im neuesten Teil auf (fast) Altbewährtes und bringt mit Far Cry New Dawn einen Beinah-Nachfolger zu Far Cry 5 auch für die Xbox One auf den Markt. Doch lasst euch vom Titel nicht täuschen, denn allzu viel Neues hat Far Cry New Dawn leider nicht zu bieten. Der Open-World-Shooter ist stark am fünften Teil angelehnt, was auch kein Wunder ist. Schließlich ist New Dawn eine waschechte Fortsetzung. Wie sich die bunte Apokalypse spielt und ob es sich lohnt, sich den Titel ins heimische Regal zu stellen, erfahrt ihr hier in unserem Test dazu.
Hier war ich doch schon mal
Die Story setzt 17 Jahre nach dem Vorgänger ein, der – so viel muss verraten sein – in einer weltweiten atomaren Katastrophe endete. Nach einer Weile kehrten die Überlebenden aber wieder aus ihren Bunkern zurück und versuchen nun sich im postnuklearen Paradies eine neue Heimat zu aufzubauen. Und hier kommen wir ins Spiel.
Als männlicher oder weiblicher Held reisen wir wieder nach Hope County, also dieselbe Spielwelt wie in Far Cry 5, um den braven Leuten dort unter die Arme zu greifen. Allerdings machen wir schnell die unsanfte Bekanntschaft mit den Highwaymen – einer tyrannischen Gangsterbande, die von den bösartigen Zwillingsschwestern Mickey und Lou angeführt wird.
Das hat uns gefallen:
Was folgt, sind 15-20 Stunden typisches Far-Cry-Feeling, wie man es schon seit dem dritten Teil her kennt. Die Schurkenschwestern hauen uns noch ein paar Drohungen um die Ohren und schon werden wir in die offene Spielwelt entlassen, die dieses Mal aber deutlich kleiner ausfällt, als in Far Cry 5. Dann heißt es wieder mal überleben, aufrüsten und das Land befreien.
Story-massig sollte man dabei aber nicht allzu viel erwarten, der Hauptplot ist zwar solide, hat uns aber zu keinem Zeitpunkt mitgerissen. Was auch daran liegen mag, dass die meisten Charaktere ziemlich blass und die Dialoge vorhersehbar bleiben. Lichtblicke sind aber die gewohnt hohe Inszenierung und die sehr guten deutschen Sprecher, die selbst dann noch für Stimmung sorgen, wenn die Story mal wieder vor sich hinplätschert und gegen Ende hin sogar ordentlich Richtung Fantasie abdriftet.
Zumindest greift der Plot aber auch die Handlung rund um Joseph Seed wieder auf. Wer wissen will, was es mit dem charismatischen Sektenführer aus Far Cry 5 wirklich auf sich hat, kommt um Far Cry New Dawn also trotz mancher Schnitzer nicht drumherum.
Eine Welt voller Blumen
Unsere zentrale Anlaufstelle ist die Heimatbasis Prosperity. Hier gibt es verschiedene Gebäude und Werkbänke, die wir im Spielverlauf ein paar Mal aufleveln, dadurch schalten wir wichtige Verbesserungen und stärkere Ausrüstung frei. Als Währung kommt dieses Mal aber kein Geld zum Einsatz, das hat in der neuen Welt schließlich keinen Wert mehr. Stattdessen sammeln wir tonnenweise Ressourcen wie Klebeband oder Draht in der Spielwelt ein. Damit stellen wir zum Beispiel neue Waffen oder Fahrzeuge her.
Wer jetzt aber denkt, Far Cry New Dawn habe damit ein neues und richtig tolles Crafting zu bieten, sollte seine Erwartung zügeln. Wir wählen stets nur vorgefertigte Modelle aus einer Liste aus, modifizieren dürfen wir die einzelnen Knarren und Karren überhaupt nicht mehr.
Um Rohstoffe ranzuschaffen, müssen wir sorgfältig die offene Welt erkunden, meist zu Fuß oder im Auto, auf Wunsch später auch im Helikopter. Optisch präsentiert sich Hope County dabei nah am Vorgänger, nennenswerte Unterschiede sind die stimmungsvoll überwucherten Ruinen, violette Blumen, die man praktisch überall findet und jede Menge krellbunter Graffitis, die irgendwer an die Wände gemalt hat. Damit soll sich Far Cry New Dawn stilistisch vom Vorgänger abheben, doch das Ergebnis ist weder sonderlich glaubwürdig noch abwechslungsreich.
Überhaupt macht Ubisoft erstaunlich wenig aus dem Postapokalypse-Thema. Bis auf ein paar mutierte Tiere ist hier vom Atomschlag praktisch nix zu spüren. Trotzdem ist die Open World natürlich immer noch ein Hingucker, denn stimmungsvolle Welten bauen, das hat Ubisoft ganz einfach drauf.
Kleine Waffenkunde
Auch in Far Cry New Dawn regiert ein hoher Chaosfaktor mit jeder Menge Zufallsereignissen, feindlichen Patrouillen du Wildtieren, die uns überall in der Welt begegnen können. Wirklich sicher kann man sich hier nie fühlen, andererseits sorgt das aber auch für Beschäftigung und regelmäßigen Ballerspaß. Die Schießereien fühlen sich genauso gut an wie in den Vorgängern, was aber auch daran liegt, dass wir im Grunde wieder die gleichen Waffen verwenden. Die Shotguns, Pistolen, MGs, Flammenwerfer, Bögen und so weiter kennen wir im Großen und Ganzen schon. Das ist schade, weil das Setting sicher auch etwas kreativere Knarren ermöglicht hätte. Der einzig nennenswerte Neuzugang ist der Sägeblattwerfer. Dieser lädt zwar nur langsam nach, haut Gegner aber oft schon mit dem ersten Treffer um. Außerdem prallen die Geschosse an Wänden ab und durchschlagen Rüstungen. In manchen Situationen ist das Ding also sehr nützlich.
Da uns aber nur vier Slots zur Verfügung stehen, sollten wir immer eine gut gemischte Waffenauswahl mit uns führen. Nur so können wir sicher sein, dass wir unterwegs das richtige Kampfgerät und genug Munition dabeihaben. So werden zum Beispiel regelmäßig Versorgungskisten über uns abgeworfen. Da heißt es dann Beine in die Hand nehmen und die Beute so schnell wie möglich einstreichen, denn gleichzeitig spawnen auch ein paar Gegner in der Nähe, die das gleich Ziel haben, wie wir. Hier sind zum Beispiel Flammenwerfer und Shotguns von Vorteil.
Gönn dir mal `ne Quest
Ebenfalls zum Far-Cry-Alltag gehören die Gefangenentransporte, die zufällig auf den Straßen vorbeirauschen. Hier müssen wir zuerst geschickt den Fahrer ausschalten – natürlich ohne das Fahrzeug in die Luft zu jagen – und dann die Geisel befreien. Als Belohnung winkt uns dann ein Talentpunkt, den wir in eine von insgesamt 30 Fertigkeiten stecken. Auch das kennen wir schon von der Far-Cry-Reihe. Neu sind hier aber fünf übernatürliche Upgrades, die wir erst gegen Ende der Hauptquest erhalten. Damit können wir zum Beispiel einen Doppelsprung lernen, mit dem wir noch leichter auf höhere Ebenen kommen und die Vertikale noch besser ausnutzen können. Zu den schöneren Nebenaufgaben zählen die Schatzsuchen, weil wir dafür immer eine Art Puzzle lösen oder die Umgebung sorgfältig absuchen müssen.
Nebenmissionen gibt es hier einige. Ein Teil der Nebenmissionen dreht sich um die acht Begleiter, die wir im Spielverlauf freischalten und die uns dann im Kampf unterstützen. Die Kumpels sind nicht sonderlich helle, erweisen sich aber oft genug als nützlich. Leider können wir in Far Cry New Dawn aber nur einen Kameraden gleichzeitig mitnehmen, die Begleitergespräche aus Far Cry 5 fallen hier also weg. In Manchen Fällen ist das aber wiederum ein Segen, weil der Humor mancher Charaktere einfach zum Fremdschämen ist.
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Natürlich ist die Open World auch wieder von allerlei fantastischen Tieren bevölkert, die nicht nur uns, sondern auch unsere Gegner oder sogar sich gegenseitig angreifen. Die Felle und Häute der getöteten Tiere können wir beim Händler gegen Handwerksmaterial eintauschen, doch wirklich nötig ist das dieses Mal nicht. Überhaupt spielt das Thema Jagd nur eine sehr untergeordnete Rolle. Die einzige Ausnahme sind die seltenen und mutierten Tiere. Diese schlucken zwar massenhaft Kugeln, werfen aber am Ende Rohstoffe ab, die wir brauchen, um ganz bestimmte Waffen freizuschalten. Und selbst die kann man guten Gewissens ignorieren, wenn man gar keine Lust aufs Jagen hat.
Komplett neu und von der Story losgelöst sind die sogenannten Expeditionen. Das sind insgesamt sieben Nebenmissionen, für die uns das Spiel per Helikopter in gänzlich frische Gebiete fliegt. Die Stimmungsvoll designten Minilevel umfassen zum Beispiel einen Flugzeugträger, die Absturzstelle der ISS, Alcatraz oder einen stillgelegten Freizeitpark. Unsere Aufgabe ist immer gleich: Wir müssen uns möglichst schleichend zu einer Zielmarkierung durchschlagen und dort ein Paket aufsammeln. Weil das aber immer einen Peilsender enthält, haben wir nur wenig Zeit, um zu einer Landezone zu flitzen, wo wir endlose Gegnerwellen abwehren müssen, bis und der rettende Hubschrauber abholt. Die Aufgabe ist also immer gleich simpel doch das Ergebnis macht trotzdem Spaß.
Schließlich unterstreichen die Expeditionen eine der größten Stärken der Far-Cry-Serie, nämlich den flüssigen Wechsel zwischen schleichen und ballern.
Für geschaffte Expeditionen erhalten wir spezielle Rohstoffe, die wir brauchen, um die die besten Waffen im Spiel herzustellen. Und weil wir davon eine ganze Menge benötigen, müssen wir, um alles freizuschalten, einige Expeditionen mehrmals spielen. Die sind dann zwar immer etwas schwerer und auch die Lande- und Fluchtzonen ändern sich, doch trotzdem ist es im Grunde immer der gleiche Content.
Das gilt auch für die zehn Stützpunkte, die über die Map verteilt sind und die wir wie in den Vorgängern einnehmen müssen. Das macht soviel Spaß wie eh und je, zunächst lautlos reinschleichen und die Wachen ausschalten. Idealerweise noch den Alarm deaktivieren und dann wie gewohnt ein furioses Actionballett hinlegen und alle Gegner im Gebiet ausknipsen. Als Belohnung gibt’s wichtigen Ethanol, den wir dringend brauchen, um unsere Heimatbasis auszubauen. Und zwar so viel, dass uns die zehn Stützpunkte allein dafür schlichtweg nicht ausreichen. Darum können wir in Far Cry New Dawn nun jede Basis freigeben was bedeutet, dass die Gegner sie zurückerobern und mit stärkeren Truppen besetzen. Anschließend können wir das Lager einfach nochmal befreien und so noch mehr Ethanol ernten. Das macht selbst im zweiten und dritten Anlauf Spaß, auch wenn man hier guten Gewissens von Content-Recycling reden kann.
Level up, Baby!
Um die neuen Anläufe kniffliger zu machen und Anreize zu schaffen, kommt Far Cry New Dawn mit einer wichtigen Änderung. Gegner, Fahrzeuge und Waffen sind nun in vier farblich codierte Ränge unterteilt. Das Prinzip ist simpel: Mit einer Stufe-1-Knarre machen wir an einem Level-3-Gegner so gut wie keinen Schaden mehr. Selbst, wenn wir ein Dutzend Magazine in ihn reinjagen. Und einen Stufe-4-Elitegegner sollten wir wirklich nur dann angehen, wenn wir die nötige Bewaffnung dabeihaben. Darum führt uns unser Weg häufig an die Werkbank. Hier geben wir den Großteil unserer gesammelten Rohstoffe aus und schalten so nach und nach Waffen in vier Rangstufen frei.
Wie schon erwähnt, können wir die Knarren nicht modifizieren, obwohl sie so schön selbstgebastelt aussehen. Immerhin gibt es aber von vielen Waffe zwei Versionen, in der Regel eine normale und eine schallgedämpfte Variante. Typisch Ubisoft sind auch hier Mikrotransaktionen enthalten. Mit einer Premiumwährung, die wir auch gegen echtes Geld kaufen können, lassen sich allerlei kosmetische Items freischalten. Außerdem kann man so manche Waffen schneller bekommen und auch Rohstoffpakete sind im Angebot. Der Sinn dahinter hat sich uns allerdings nicht erschlossen, denn zum Durchspielen braucht man das ganze schlichtweg nicht. Man findet auch so mehr als genug Rochstoffe, um sich seine Waffen freizuschalten und selbst die Kostüme lassen sich durch normales Spielen verdienen.
Wie in Far Cry 4 und Far Cry 5 können wir das gesamte Spiel auch im Koop bestreiten. Das funktioniert genauso gut und mit den gleichen Einschränkungen wie in den Vorgängern. Dafür fehlt dieses Mal die Arcade samt kompetitiver Maps und auch der Karteneditor ist nicht an Bord.
Das hat uns nicht gefallen:
Far Cry New Dawn ist im Großen und Ganzen gar keinen falls schlecht. Nur ist es eben kein weiterer neuer Teil, so, wie man es erhofft haben mag. Es ähnelt doch sehr an Teil fünf und überzeugt dementsprechend. Fehlerfrei ist aber auch dieser Titel nicht. In manchen Situationen kam es vor, dass wir mit einigen Balancing-Problemen zu kämpfen hatten. Auch Grafik-Pop-ups kamen hier und da mal vor. Diese fallen aber nicht besonders ins Gewicht.
Auch fanden wir das nicht vorhandene „aufleveln“ der Waffen unschön. Hier wäre doch deutlich mehr drin gewesen. Auch die Mikrotransaktionen mit der Premiumwährung sind unseren Erachtens nach komplett fehl am Platz.
In Sachen Hauptquests gibt’s Höhen und Tiefen. Nicht so gut hat uns zum Beispiel eine Mission gefallen, in der wir mehrere Faustkämpfe in einer Arena. Das zog sich zulange hin und war auch nicht gut gebalancet. Da waren wir froh, als es vorbei war.
Fazit:
Alles in allem kommt Far Cry New Dawn deutlich schlanker und abgespeckter daher als Far Cry 5. Dafür verlangt Ubisoft aber auch keinen Vollpreis, ihr bekommt das eigenständig laufende Add-on schon für 45 Euro. Für den Umfang geht der Preis in Ordnung. Und wer die Far-Cry-Serie heiß und innig geliebt hat, macht auch mit diesem Teil nichts falsch.
Die Action, das Schleichen, das Erkunden der offenen Welt und das allgegenwärtige Chaos, diese Mischung funktioniert wie eh und je. Wer aber gehofft hat, dass die Serie mit New Dawn zu neuen Ufern aufbrechen würde, so, wie es Ubisoft schon mit Assassin´s Creed Origins gelungen ist, könnte vielleicht enttäuscht sein. Schlussendlich ist Far Cry New Dawn alles andere als ein Neubeginn.