Liebhaber von Rollenspiel haben eine kleine Ewigkeit auf Fallout 4 gewartet und als Bethesda endlich den Schritt wagte und das Rollenspiel endlich ankündigte, waren die Hoffnungen und Wünsche groß. Würde man an den Erfolg von Fallout 3 anknüpfen können, ohne dabei das Wesen des Spiels zu sehr zu verändern? Wir sind dieser und anderen Fragen nachgegangen und haben unsere Eindrücke und Meinungen zu Fallout 4 in einem Test zusammengefasst.
Krieg – Krieg bleibt immer gleich. Die Zeit im Krieg scheint mir eine Ewigkeit gedauert zu haben. Obwohl wir das Jahr 2077 schreiben ist dieser Teil der Menschheit unverändert archaisch, einzig die Waffen haben sich geändert. Nicht länger schlagen wir mit Stöcken aufeinander ein oder mit Schwertern, sondern es sind Laserwaffen oder andere Hightech-Lösungen. Doch ist es Zeit den Frieden zu genießen, endlich sind ruhigere Tage angebrochen. Der von vielen befürchtete Nuklearkrieg bleibt aus. Die Menschheit scheint endlich zur Vernunft gekommen zu sein.
Dennoch, viele Unternehmen wollen mit Bunkern, den sogenannten Vaults, ein Vermögen aus den tiefsitzenden Ängsten der Menschen generieren. Ich kann es nicht leugnen, auch ich habe noch immer Bedenken. Endlich habe ich die Familie, die Frau und das Kind, die ich immer wollte. Ich möchte sie schützen. Meine Verdienste in der Armee verschaffen mir einen Bonus für dieses „Vault-Programm“. Der Vertreter fragte schon viele Male an, jetzt habe ich endlich nachgegeben, und meine Daten hinterlegen lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Großen dieser Welt in absehbarer Zukunft die „Knöpfe“ des Weltuntergangs drücken scheinen verschwindend gering.
Und doch, soeben läuft eine Sondersendung – die Bomben sind gefallen. Ich muss meine Familie schützen, ich muss sie in Sicherheit bringen. Ganz gleich was mir wiederfährt, sie sollen leben und eine Zukunft haben. Krieg – Krieg bleibt eben immer gleich.
Das hat uns gefallen:
Schon nach den ersten Sekunden kann man in Fallout 4 eines sehen: Nostalgie. Es ist wie eine Reise in ein anderes Universum, in dem sich der Stil der 60er Jahre zum „all time favorite“ entwickelt hat. Es ist eine Zukunft, wie man sie sich in den 40er Jahren vorstellte. Mit Robotern, die den Alltag erleichtern und fusionsbetriebenen Fahrzeugen – aber hier ist das Gefühl der Nostalgie nicht vorbei. Es ist als wäre keine Zeit zwischen Fallout 3 und 4 vergangen. Der Stil und die Atmosphäre sind nahezu identisch. Fans des dritten Teils werden sich sofort zuhause fühlen.
Diese Vertrautheit geht aber noch viel tiefer. Denn auch beim Gameplay fühlt man sich sofort angekommen. Ob es das V.A.T.S.-System ist oder der Pipboy ist – Bethesda hat hier keine Experimente gestartet, sondern hat auf Bekanntes gesetzt. Das Menü im Pipboy sieht fast exakt so aus, wie es schon in Fallout 3 der Fall war. Einzig die Möglichkeiten im Aufwerten des Charakters sind vielseitiger geworden. Viel mehr kann ausgewählt werden, als nur Stärke, Charisma oder Glück. Gesundheit, die Magenresistenz oder die Fähigkeit zum Schlösser knacken. Man kann sich seinen ganz eigenen Spielstil erschaffen und zurechtlegen.
Das fängt allerdings schon beim Erschaffen des Helden an. Selten hat man einen so detaillierten Charaktereditor gesehen, in dem so viel möglich ist. Denn Bethesda gibt euch nicht nur die Wahl über das Geschlecht, sondern auch alles andere kann nach eigenem Gusto angepasst werden. Derzeit gibt es schon das eine oder andere Video, dass bekannte Gesichter aus Film und Fernsehen zeigt, die im Fallout 4-Editor erschaffen wurden. Aber Fallout 4 ist mehr als ein schöner Editor.
Sobald man seine ersten Schritte ins Ödland getan hat, schwingt diese Atmosphäre mit, die schon in Fallout 3 zupackte und nicht mehr los lies. Man möchte einfach wissen, wie die Leute die Zeit überstanden haben, wie sich die Welt verändert hat, was es mit den verschiedenen Fraktionen auf sich hat und warum die Dinge geschehen sind, die letztlich zu dieser Reise führten. Bethesda hat einfach erneut bewiesen, dass man ein Meister der Atmosphäre ist.
Ebenfalls sehr gut gelungen, Bethesda-üblich sozusagen, ist die Vertonung des Spiels. Stimmen, Klänge, Musik – einfach alles trifft den Nagel auf den Kopf. Wie immer ist die englische Tonspur der deutschen Synchronisation etwas überlegen, doch selbst die deutschen Stimmen können sich im wahrsten Sinne des Wortes „hören“ lassen.
Aber die Lobeshymne reißt hier noch nicht ab. Fallouts größter Pluspunkt ist der schiere Umfang. Die Welt ist gigantisch und schon in einer Stadt ist man schnell verloren, wenn man auf Feinde trifft oder einfach nur auf Entdeckungstour geht. Überall finden sich kleine Hinweise, versteckte Geschichten und Easter Eggs die es zu entdecken gilt. Stunde um Stunde vergeht, ohne dass man tatsächlich eine Mission erfüllt haben muss, einfach nur um des Entdeckens und Überlebens willen. Da es schon immer klar war, dass man in einer Gemeinschaft besser überleben kann, hat sich Bethesda dazu entschlossen in Fallout 4 Basen-Management einzuführen. Erstmals ist man in der Lage mit verschiedenen Siedlern eine Basis aufzubauen. Dabei bedarf es aber guter Planung und Verwertung von Ressourcen. Aus Holz und Stahl lassen sich gute Wände und Gegenstände bauen, oder letztlich Generatoren zur Stromerzeugung. Allerdings möchten auch die Siedler versorgt sein, da sie sonst wieder abwandern. Es müssen genügend Betten vorhanden sein, Mägen wollen gestopft werden und ohne Wasser geht es schon einmal gar nicht. Um all diese Dinge muss man sich kümmern, damit die Siedlung bzw. Basis wächst und gedeiht.
Als wäre das nicht genug, hat man noch mehr in Fallout 4 gestopft. Rüstungen, Waffen und auch Drogen können nun hergestellt, verändert und verbessert werden. Dafür muss einfach eine entsprechende „Station“ in der Basis oder einer befreundeten Siedlung aufgesucht werden. Fallout 4 bietet in dieser Hinsicht einen wahren Mad Max-Moment. So sehen Waffen in ihrer verbesserten Version nicht aus wie Hightech-Spielzeuge, sondern sind rostig und mit Schrauben versehen. Es sind zweckdienliche Verbesserungen mit Mitteln, die einem nach dem Weltuntergang zur Verfügung standen. Gleiches gilt für die Rüstungen im Spiel.
Das hat uns nicht gefallen:
Fallout 4 sieht besser aus als Fallout 3. So viel steht fest und das lässt sich auch von niemanden bestreiten. Allerdings ist es keine Augenweide. Ob wegen der Größe und des Umfangs die Grafik etwas leiden musste ist unklar, doch ist Fallout 4 wirklich kein Hingucker. Einige Charaktermodelle sehen einfach eingestaubt und altbacken aus. Nostalgie an die alte Konsolengeneration kommt hier auf, was in diesem Fall alles andere als gewollt sein dürfte.
Ein großer Kritikpunkt dürfte wohl auch der Punkt sein, dass Fallout 4 eine kleine Wundertüte ist. Es scheint fast so als wollte Bethesda alles umsetzen, was sich in den kleinen grauen Zellen aller Entwickler angesammelt hat. Deshalb wirkt Fallout 4 oft einfach überladen. Es ist ein Spiel das hunderte Stunden beschäftigen kann, doch es ist auch ein Spiel das frustrieren kann.
Wer sich im Basenbau verliert, vergisst schnell den eigenen Helden aufzuleveln, was letztlich dazu führt, dass man viel zu oft das Zeitliche segnet. Feinde werden schnell zur ernsten Gefahr und statt eines interessanten Kampfes wird es schnell zu einem Versteckspiel. Erst die richtige Bewaffnung, die perfekte Rüstung und jede Menge Punkte zum Aufleveln ändern diesen Umstand.
Fazit:
Fallout 4 bietet viel, fast zu viel. Es ist oft einfach erdrückend, welche Möglichkeiten geboten sind. Der Umfang ist überwältigend, der Sound auf den Punkt gebracht und das Gameplay eine Hommage an den Vorgänger.
Doch Fallout 4 ist nicht perfekt. Bei all der Liebe, die in diesem Titel steckt, scheint Bethesda zu lange in die Vergangenheit geschaut zu haben. Grafisch gibt es eine nur sehr kleine Entwicklung, die einfach merklicher hätte ausfallen müssen. Puristen und alle die sich gern in einer desolaten Welt verlieren, werden sich auch in Fallout 4 wieder zuhause fühlen und schon nach wenigen Minuten die Welt vergessen. Fallout 4 ist trotz einiger Schwächen der bisher beste Teil der Reihe und verdient einen Platz in jeder gut sortierten Sammlung.