Seit Assassin’s Creed Unity erschienen ist, scheint die Franchise aus dem Hause Ubisoft etwas angeschlagen zu sein. Unity wollte nicht so richtig in Fahrt kommen, obgleich schon besser als viele andere Titel der Reihe, waren es vor allem die vielen kleinen Bugs und Fehlerchen, die das Spielerlebnis deutlich getrübt haben. Jetzt ist Ubisoft mit Assassin’s Creed Syndicate ins viktorianische London abgetaucht und möchte die angeschlagene Fanbase wieder zurückgewinnen. In diesem Review wollen wir schauen, ob dieses Vorhaben gelingen kann.
Es ist die Zeit der Wunder und des Fortschritts und alles hat seinen Anfang in London genommen, der Stadt mit den vielen Gesichtern. Aber es gibt ein weiteres London, ein London in dem das Verbrechen herrscht. Die Blighters, eine Gang, die natürlich von den Templern geführt und gelenkt wird herrscht mit eisener Faust über die Stadt und deren Einwohner. Selbst die Polizei kann dem nichts entgegensetzen, sofern sie noch nicht korrumpiert wurde und ohnehin gegen ein paar Schilling in eine andere Richtung schaut.
Ich schreibe dir erneut, in der Hoffnung auf Antwort, doch wie schon die letzten Male erwarte ich nicht, dass es so kommen wird. Die Stadt, die wir einst so liebten, geht vor die Hunde. Der Orden der Templer festigt seine Macht mit jeder Minute. Wir, die Assassinen, sind faul und träge geworden. Wollen lieber über Vor- und Nachteile debattieren, statt zu handeln.
Wie schon die vielen Male davor bitte ich dich um Unterstützung, denn alleine werde ich den Templern nicht schaden, ihre Ränke nicht durchtrennen und ihre Pläne zunichtemachen können. Wäre doch nur Mister Frye noch am Leben und könnte mir zur Seite stehen. Was Evie und Jacob betrifft – so habe ich sie schon lange nicht mehr gesehen und gesprochen. Sind sie eventuell die neue Hoffnung für die eingestaubten Assassinen? Schon damals zeigten sie großen Tatendrang, waren voller Ideen und Energie.
Mit diesem Schreiben erbitte ich dich also erneut um Hilfe, denn so wird es nicht lange weitergehen können.
Das hat uns gefallen:
Erneut wollen die Templer die Welt unter ihre Kontrolle bringen und nach ihren Plänen gestalten. Als Novize ist es unsere Pflicht dies zu verhindern. Nachdem wir bereits in die Rolle von Arno geschlüpft waren, ist es nun an der Zeit einen Sprung nach vorne zu machen – das viktorianische London. Persönlich gesehen und dieses Mal sehr subjektiv ist diese Zeit ein Favorit von mir. Denkt man an Geschichten mit so geschichtsträchtige Namen wie Jack the Ripper, Charles Dickens, Bell und so vielen mehr, dann hat man diese Zeit immer irgendwie vor Augen. Die Umsetzung dieser Gedanken ist Ubisoft dieses Mal wirklich unglaublich gut gelungen.
London ist nicht die zivilisierte Stadt die wir heute kennen. Die Großen Wahrzeichen wie Big Ben stehen aber längt und rufen bekannte Bilder der Moderne in Erinnerung. Obwohl Assassin’s Creed Unity schon gut aussah, legte Ubisoft mit Syndicate noch einmal die eine oder andere Schippe oben drauf. Grafisch präsentiert sich der neue Titel von der bisher schönsten Seite der Franchise. Ubisoft ging sehr detailverliebt ans Werk. Ob es kleine Feste in Parks sind, Regentropfen die in Pfützen zu sehen sind oder aber Schlägereien zwischen stark besoffenen Passanten – London wurde nie schöner in Pixeln gefasst als in Assassin’s Creed Syndicate.
Allerdings ist in Assassin’s Creed schon immer die Vertonung wichtiger gewesen, als die Grafik. Egal welche Epoche man bereiste, die Stadt sprach die richtige Sprache. In Syndicate ist es nicht anders. Alles spricht englisch, aber so wie man es heute wohl nur noch sehr selten hört. Standardmäßig ist das Assassin’s Creed Syndicate natürlich in Deutsch gehalten, allerdings nimmt das Spiel noch einmal einen großen Schwung Atmosphäre auf, sobald man ins Englische wechselt. Dialekte und Wörter sind dann sehr viel authentischer als in Deutsch. Soll das bedeuten, dass die deutsche Sprachausgabe schlecht ist? Nein, weit gefehlt. Sie ist auf einem sehr hohen Niveau, doch letztlich ist es einfach sehr viel „echter“, wenn man es im Original hört. Für Sprachmuffel ist auch gesorgt – hier gibt es, sofern man sich für diesen Schritt entscheidet, Untertitel.
Erstmals in einem Assassin’s Creed-Titel sind es gleich zwei Helden, die ihre Geschichte durch den Animus erzählen. Jacob und Evie Frye. Geschwister und doch sehr unterschiedlich im Wesen. Jacob wählt immer den direkten Weg, denkt dabei wenig an die Konsequenzen und Auswirkungen auf die Umgebung. Auch beim Gameplay ist Jacob deutlich auf Nahkampf fixiert, statt in den Schatten zu schleichen – wie Evie. Sie ist die Denkerin von beiden, möchte unbedingt die Arbeit ihres Vaters fortsetzen und denkt immer einen Schritt weiter, als ihre Feinde. Allerdings verliert sie sich auch gerne in Gedanken und setzt beim Kampf auf Heimtücke und Taktik.
Wie schon in Unity kann mit Geld auch in Syndicate so manche Veränderung herbeigeführt werden. Weniger an der Stadt als an Jacob und Evie. Sie haben standardmäßig drei Nahkampfwaffen zur Wahl. Schlagringe, einen Stock (mit versteckter Klinge) und ein Khukuri, eine gebogene Klinge, für maximalen Schaden. Mit genügend Geld und Rohstoffen, die man in Kisten findet und durch Missionen und Minispiele erhält, können neue Waffen, Monturen, Gürtel, Schusswaffen, Upgrades und mehr erworben und hergestellt werden.
Die größte Neuerung von Syndicate ist gar nicht so neu: es gibt wieder eine Art „Bruderschaft“ nur eben im londoner Stil. Jacob und Evie haben ihre eigene Gang, die Rooks, gegründet. Mit genügend Geld können hier verschiedene Fähigkeiten freigeschaltet werden.
Sehr begrüßt haben wir die Entscheidung auf einen Multiplayer zu verzichten. Es hat sich, wenn man ehrlich ist, nie wirklich „gut“ angefühlt oder überhaupt zum Spiel gepasst.
Das hat uns nicht gefallen:
Es ist leider einmal mehr das Gameplay, dass uns oft an den Rand der Verzweiflung geführt hat. Wie in Assassin’s Creed Unity ist man auch in Syndicate dem Weg des Hoch- und Runterkletterns gefolgt. Sobald die Zeit drängt, weil ein Ziel verfolgt werden muss, ist das System hier aber oft überfragt. Statt den dichtesten Punkt zu nehmen oder einfach „loszulassen“ halten sich Jacob und Evie einfach weiter fest oder springen an Stellen die man einfach gar nicht im Sinn hatte.
Zudem ist Assassin’s Creed Syndicate nicht frei von Bugs. So kann es gerne mal passieren, dass eine „unsichtbare“ Kutsche im Weg steht, Passanten vom Himmel fallen oder einfach eure Mission derart behindern, dass man dem Kodex der Assassinen getreu denkt: „alles ist erlaubt“ – bis einem das Spiel daran erinnert, dass man keine Passanten töten darf.
Die Anfangs angesprochen Gameplay-Unterschiede zwischen den beiden Frye-Geschwistern sind zudem viel zu gering, als das sie einen nennenswerten Unterschied ausmachen. Gerade mal Evie setzt mit ihre „Tarnung“ eine Fähigkeit ein, die man gerne bei Jacob sehen würde. Der männliche Konterpart hingegen ist einfach nur härter im Nehmen und austeilen als seine Schwester, was man nicht wirklich als „Fähigkeit“ betrachten kann.
Schade ist es, dass wir auch in Syndicate in der heutigen Zeit nur einen „Geist“ sehen können, der immer nur als Novize bezeichnet wird. Dadurch geht der Tiefgang leider verloren und egal wie schön die Sequenzen auch sind, bleiben sie nur ein Lückenfüller für Desmond und seine Abenteuer.
Fazit:
Ist Assassin’s Creed Syndicate auf dem gleichen Level wie Unity? Nein, es ist deutlich besser. Die kleinen Bugs, sind manchmal zwar störend, sorgen aber in der Regel eher für ein Grinsen und ein abfälliges Grunzen, als dass sie wirklich Einfluss auf das Gameplay haben.
Assassin’s Creed Syndicate ist sogar sehr viel besser als sein direkter Vorgänger und setzt sehr viel mehr Wert auf Atmosphäre und Emotionen. Grafisch war Unity alles andere als schlecht, doch auch hier ist Syndicate voraus und bietet ein Füllhorn an wunderschönen Anblicken.
Nur beim Gameplay gibt es wieder einige Abstriche zu machen aber irgendwie gehört das doch schon fast zur Reihe dazu, oder etwa nicht? Wer Unity ausgelassen hat und erneut einen Grund zum Einstieg in die Reihe sucht ist mit Assassin’s Creed Syndicate mehr als gut beraten – der Kauf lohnt in diesem Fall trotz Fehler tatsächlich.